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Experten-Interview Juni 2024



Kultur mit Gebärdensprache - Pilotprojekt in Reutlingen

 

Die Stadt Reutlingen hat ein innovatives Konzept ausgearbeitet, das einen inklusiven Zugang zu kulturellen Veranstaltungen ermöglichen soll. Über das Projekt habe ich Michael Embery, Behindertenbeauftragter der Stadt, interviewt.

 

Herr Embery, was beinhaltet das Konzept und wer hat es entwickelt?

Die Idee entstand beim Runden Tisch „barrierefreies Reutlingen“ und wurde vom Team des Behindertenbeauftragten konzipiert.

 

Möglichst alle Bürgerinnen und Bürger sollen an kulturellen Veranstaltungen im Stadtgebiet Reutlingen teilnehmen können. Gerade für Bürgerinnen und Bürger mit Behinderung ist eine Teilnahme aber meist nicht ohne weiteres möglich. So kann bisher beispielsweise (eigenverantwortlich) zu den Veranstaltungen eine Gebärdensprachübersetzung gebucht werden - das bedeutet jedoch für den gehörlosen Menschen einen hohen persönlichen und finanziellen Aufwand. Oder für eine Veranstaltung muss extra eine Begleitperson gebucht und finanziert werden.

 

Um die Teilhabemöglichkeiten auszubauen, stellt das Sozialamt für das Team des Behindertenbeauftragten ein Pilotbudget von 3.000 € zur Verfügung. Dieses Budget steht für den Zeitraum des Pilotprojekts (01.10.2023 - 30.09.2024) zur Verfügung. In diesem zeitlichen Rahmen soll evaluiert werden, ob das Budget ausreicht beziehungsweise wie sich das Konzept etabliert.

 

Das Budget wird aus Mitteln des Sozialfonds entnommen. Davon unberührt ist die barrierefreie Gestaltung (unter anderem Gebärdensprachdolmetschung) von wichtigen städtischen Veranstaltungen (Schwörtag, Bürgerempfang etc.), diese wird ab sofort in den Planungen berücksichtigt.

 

Welche Prüfkriterien werden bei den Veranstaltungen bzw. bei den antragsstellenden Personen angewandt?

Für die „Prüfung“ wird sowohl der benötigte Bedarf erfragt als auch die Veranstaltung an der ein Interesse besteht. Die Veranstaltung muss im Stadtgebiet Reutlingen stattfinden. Außerdem sollte es sich um keine hoch kommerzielle Veranstaltung (beispielsweise Auftritt eines Stars in der Stadthalle) handeln, da hier erwartet werden sollte, dass bei dieser Art von hochprofessioneller Veranstaltung ein Konzept zur Barrierefreiheit vom Veranstalter selbst entwickelt wird. Hierbei steht das Team des Behindertenbeauftragten auch gerne beratend zur Seite.

 

Es wird außerdem geprüft, ob die Teilnahme auch durch Mittel (sofern ein Leistungsbezug besteht) der Eingliederungshilfe ermöglicht werden kann.

 

Da die Prüfung etwas Zeit in Anspruch nimmt, sollte das Interesse an einer Veranstaltung möglichst frühzeitig mitgeteilt werden.

 

Wer kann eine Unterstützung beantragen und wie?

Alle Bürgerinnen und Bürger mit Behinderung können eine Unterstützung beantragen. Die Prüfung erfolgt durch das Team des Behindertenbeauftragten und gegebenenfalls durch die Eingliederungshilfe.

 

Welche Vorteile bringt dieses Projekt konkret für Gehörlose?

Gehörlose Bürgerinnen und Bürger erhalten die Möglichkeit, an einer selbst ausgewählten Veranstaltung barrierefrei teilzunehmen. Durch die Übernahme der Kosten beispielsweise für einen Gebärdensprachdolmetscher findet eine finanzielle Entlastung statt. Außerdem soll das Projekt dazu beitragen, dass immer mehr Veranstaltungen „von Haus aus“ barrierefrei gestaltet werden, sodass ein Gebärdensprachdolmetscher zum Standard gehört.

 

Wenn Gehörlose für eine kulturelle Veranstaltung in der Stadt einen Gebärdensprachdolmetscher benötigen, wie sieht es organisatorisch aus?

Nach erfolgter Anfrage und Prüfung wird der Gebärdensprachdolmetscher über das Team des Behindertenbeauftragten angefragt und gebucht. Es kann sich auch um einen dem Antragssteller bereits bekannten Gebärdensprachdolmetscher handeln.

 

Wie wird das Projekt finanziert?

Das Projekt wird aus Mitteln des Sozialfonds des Sozialamts der Stadt Reutlingen finanziert.

 

Wenn das Budget ausgeschöpft ist, können dann Behinderte keine Unterstützungsanträge mehr stellen?

Sollten die Mittel vorzeitig erschöpft sein, können keine weiteren Anträge mehr gestellt werden. In diesem Fall wird allerdings geprüft, ob die Projektmittel weiter aufgestockt werden können.

 

Wie wurde bis jetzt dieses Projekt angenommen?

Bislang ist die Nachfrage noch verhalten. Wir versuchen diese neue Möglichkeit möglichst breit und umfangreich zu bewerben. Manchmal brauchen neue Wege etwas Zeit. Aus diesem Grund möchten wir uns auch herzlich bedanken, dass wir über die Plattform deafservice.de dieses Projekt mithilfe des Interviews noch bekannter machen können.

 

Weitere Informationen zum Projekt und den weiteren Projekten des Teams des Behindertenbeauftragten der Stadt Reutlingen sind im Internet hier zu lesen: www.reutlingen.de/inklusiv

 

Vielen Dank für das Interview!

 

Text: Judit Nothdurft

Foto: Michael Embery

 
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